ich sitze mit positivem Corona-Test zuhause, alle Termine sind abgesagt und ich harre der Dinge, die da kommen. Die Zwangspause gibt mir die Gelegenheit, über etwas nachzudenken und dir zu schreiben, das mich schon eine Weile beschäftigt:
Interne Kommunikation, und damit jeder von uns, steht immer mehr an der Frontlinie in einem Informationskrieg.
Ich habe hin und her überlegt, ob sich das anders formulieren lässt. Das ist eine sehr martialische Sprache. Dramatisiert es die Lage? Ich denke nicht. Lasst es uns benennen, wie es ist: Interne Kommunikator*innen und Unternehmen haben plötzlich gesellschaftliche Verantwortung in einem Grad, den wir vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten hätten.
Polarisierung
Ich habe zuerst 2018, bei den rechtsextremen Ausschreitungen in meiner Heimatstadt Chemnitz, gespürt, dass eine klare Positionierung für eigentliche Selbstverständlichkeiten Courage erfordert. Es war für einige Tage nicht klar, welcher Narrativ sich in den Medien durchsetzen würde. Ich wusste jedoch, was ich gesehen habe und ich wusste auch, wie aufgewühlt unsere Mitarbeitenden waren. Und trotzdem fühlten sich die Interviews, die ich mehreren Medien von Regionalzeitung bis ZEIT gab, nach etwas an, das ich nicht für möglich gehalten hätte: nach Gefahr.
Mit der Corona-Debatte und jetzt mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine erleben wir in kurzer Taktzahl weitere polarisierende Themen, in denen sich unvereinbare Narrative gegenüber stehen. Vor einer Woche habe ich wenige Stunden nach dem Beginn der Kriegshandlungen öffentlich einem russischen Staatsunternehmen auf LinkedIn unsere Dienste gekündigt. Der Post hat über 10.000 Views und über 750 Reaktionen. Intern haben wir bei 600 Mitarbeitenden 300 Reaktionen auf den Beitrag erhalten. Das Feedback war überwältigend positiv, mittlerweile haben viele andere Unternehmen ähnliche Schritte unternommen. Wie 2018 war aber zu Beginn nicht klar, wie sich die öffentliche Meinung, insbesondere auch bei Zielgruppen wie unseren russischstämmigen Mitarbeitenden entwickeln würde.
Kann man ‚nicht kommunizieren’?
Warum also so ein Risiko eingehen? Könnten wir nicht abwarten und als Unternehmen so lange wie möglich ‚neutral’ bleiben? Du kennst sicher den alten Spruch „man kann nicht nicht kommunizieren”. Und da haben wir die Antwort. Deine Mitarbeitenden sind Teil eines komplexen und nicht beherrschbaren Informationssturms. Angefangen von „Mainstreammedien”, „Alternativen Medien” über radikalisierende Facebook-Feeds und bizarre Telegramgruppen ist alles dabei.
Gleichzeitig arbeiten deine Mitarbeitenden täglich zusammen, sie sollen gemeinsam kreativ sein und in hoher Qualität Produkte herstellen. Wie soll das gehen, wenn für die einen der Apfel rot und für die anderen grün ist? Indem du dich als interne Kommunikator*in nicht positioniert, riskierst du, dass auch innerhalb des Unternehmens die Graben immer größer werden und eine Zusammenarbeit zwischen den Menschen auf den unterschiedlichen Seiten unmöglich wird.
Unternehmen als sicherer Ort
Du hast eine Superkraft: Die gesellschaftlichen Probleme können in Unternehmen auf einem ganz konkreten Level angegangen werden. In unserem Fall war es der eine Kunde, mit dem wir nicht mehr zusammenarbeiten möchten. Ein wichtiger Schritt, den wir auch schlüssig begründen – nicht mit Geopolitik sondern mit Menschlichkeit. Du und viele andere haben bei der Corona-Impffrage ähnlich konkrete Schritte vorgenommen: Es gab Fälle von Produktionsausfall oder schweren Verläufen im Unternehmen und du bist dagegen vorgegangen. Du konntest ganz konkrete Auswirkungen auf ganz konkrete Menschen zeigen und hast damit eine unbezahlbare Währung: Authentizität.
Ich halte es deshalb nicht für Zufall, dass das Edelman Trust Barometer eine klare Richtung vorgibt: Der eigene Arbeitgeber hat die höchsten Vertrauenswerte für viele Menschen (49% der Befragten in Deutschland gaben an, Informationen des Arbeitgebers nur ein oder zweimal zu sehen, um diese zu glauben).
Wie weiter?
Mein Ratschlag an dich, liebe IKone: Werde dir bewusst, dass du eine Macht in einem Informationskrieg bist, dem deine Mitarbeitenden ausgesetzt sind. Hilf deinen Führungskräften, sich zu positionieren und Orientierung für euer Unternehmen zu geben, damit die Fliehkräfte dich nicht zerreißen.
Im Kern sehe ich:
#1 Authentizität – deine Superkraft ist es, die diffuse Lage in der Welt für deine Mitarbeitenden auf konkrete Auswirkungen herunterzubrechen. Finde diese Geschichten und erzähle sie.
#2 Klarheit und Wiederholung – finde deine Position und stelle sicher, dass deine eigenen Geschichten darauf einzahlen.
#3 Mut – es benötigt einen proaktiven „Push” durch die interne Kommunikation, direktes Zugehen auf Führungskräfte, Moderieren des internen Dialogs.
With great power comes great responsibility (Spiderman 🦸🏻). Ich wünsche dir viel Kraft in dieser Transformation!
Was IKonen jetzt nicht verpassen dürfen:
👉 Blog: „In a Nutshell" hat in einem kurzen Blogartikel zusammengetragen, wie man angesichts der russischen Invasion in die Ukraine kommuniziert.
👉 Blog: Auch Martin Zander, Division Manager Corporate Communications bei der Otto Group, hat über die Auswirkungen des Konflikts auf die Kommunikation des Handelskonzerns gesprochen. Das Interview gibts hier zum Nachlesen.
👉 Podcast: Allen, die aber auch einfach mal abschalten wollen, empfehle ich den Podcast für die interne Kommunikation von Andrea Montua. Auch ich war vor einigen Jahren bei „Auf ein Tee mit...“ zu Gast. Viel Spaß beim Reinhören.
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